Im Jahr 2008 veröffentlichte ich Essad Beys beiden Romane „Liebe und Erdöl“ sowie „Manuela“ in ihrer Übersetzung aus dem Polnischen. Bis dato war unbekannt gewesen, was mit den deutschen Originalmanuskripten geschehen war bzw. ob diese Romane je auf Deutsch veröffentlich worden waren.

Fotokopien der polnischen Hefte konnte ich mir 2007 im Zentrum Moderner Orient, Berlin, machen. Das ZMO hält das Archiv des 2003 verstorbenen Essad-Bey-Forschers und -Pioniers Prof. Gerhard Höpp.

Am nächsten Tag lernte ich auf einem Spaziergang den polnischen Germanistikstudenten Martin Pasek kennen, dem ich bald den Übersetzerjob anbot.  Martin besorgte mir auch über Freunde hochaufgelöste Scans der Originalcover aus der Polnischen Nationalbibliothek in Warschau. Diese zeige ich in meinem Essay über die Romane.

Für die Umschlaggestaltung gewann ich den legendären Romanheftgestalter Firuz Askin in München (siehe meinen Blogbeitrag hier: https://zappergeck.wordpress.com/2015/03/14/firuz-askin-altmeister-der-groschenheftkunst/).

Im Juni 2008 wurden die Druckdaten zu diesem „Wendebuch“ der Druckerei übergeben und 100 Exemplare bestellt. Genau zehn Jahre brauchte es, um sie zu verkaufen.

Gegen einen Nachdruck, der eigentlich kein Problem gewesen wäre, sträubte ich mich, da ich meinen Essay überarbeiten wollte, aber keine Zeit dafür fand. (Einzelne Exemplare können sowieso immer über mich bestellt werden.)

Dann geschah folgendes:

Die Germanistik- und Ethik-Doktorandin Christine Bossauer, die ihren Master über Essad Bey gemacht hatte, hielt an der Germanistik-Fakultät der Staatlichen Sprachen-Uni zu Baku einen Vortrag über ihre Arbeit. Dabei erwähnte sie auch die polnischen Veröffentlichungen, und dass man bislang nichts über die deutschen Originaltexte weiß.  Im Publikum saß der Germanist Dr. Vilayet Hajiyev, mit dem ich zufälligerweise bereits bekannt war, da wir ein Jahr zuvor gemeinsam an einem Band mit aserbaidschanischen Kurzgeschichten zusammengearbeitet hatten. Nach dem Vortrag kam Dr. Hajiyev auf Frau Bossauer zu und berichtete ihr, dass er die deutschen Romane vor vielen Jahren in einer Bibliothek in Wien gesehen und sich sogar Fotokopien gemacht habe. Das war natürlich eine riesige Überraschung!

Wo die Fotokopien seien? Die gab er seinem alten Lehrmeister, dem Übersetzer Cherkez Gurbanly, der sich durch zahlreiche Übersetzungen von Essad Bey’s Werken um seine heutige Rezeption in Aserbaidschan sehr verdient gemacht hatte. Leider verstarb Gurbanly bald danach.

Gott sei Dank erinnerte sich Dr. Haciyev noch an den Titel der Romanreihe: „Moment“.

Nach einer – trotz dieses Allerweltstitels – nicht besonders aufwändigen Suche konnte ich einen Sammelband dieser Hefte in der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig lokalisieren und ihn mir per Fernleihe nach Frankfurt bestellen:

 

 

Dann ging es ans Durchblättern. Doch es dauerte nicht lange, bis ich das erste Heft fand:

 

Auf der Heft-Rückseite war folgende Liste vorhanden:

 

Aha, Nr. 18 und Nr. 39.

 

So erfuhr ich, dass der deutsche Titel “Liebe und Öl” gewesen war:

 

 

Die Freude war groß.

Es war interessant festzustellen, dass unsere Übersetzung aus dem Polnischen überraschend nah am Originaltext ist! Und wer weiß, vielleicht gibt es eines Tages eine Neuausgabe?

 

 

Post Scriptum

Wie ich feststellen konnte, scheint die Heftreihe „Moment“ auch eine Art Kuriositätenkabinett gewesen zu sein.

Hier einige Schnappschüsse:

“Der nie benützte Telephonapparat des Papstes ist aus echtem Gold”

 

“Jekaterina Dschigaschwili, die Mutter Stalins, ist eine Bauernfrau und hat Tiflis, ihren Geburtsort, noch nie verlassen”

 

“Der Dichter Carl Zuckmayer, der in Henndorf bei Salzburg haust, ist ein eifriger Sänger zur Laute.”